adivina  
 
La adivina. Georges de La Tour (1632). Museum of Modern Art. NY
 
 

Wer liest hier wem die Zukunft und wann tritt sie ein? Jene, die die Wahrsagerin dem jungen Mann vorhersagt wohl nie. Jene des Bestohlenen vermutlich schon bald, und jene die die alte Frau den drei jungen vorzeigt unweigerlich nach Jahrzehnten.

 

 

Der Schmerz war schon lange da, nicht schlimm, man musste nur etwas anders greifen, vielleicht mit der anderen Hand helfen. Am Abend waren ev. ein Ziehen oder Spannungsgefühl da, man schüttelte die Hand und weg war es, nichts von Bedeutung.

Bis eines Tages… ein kleiner Unfall, eine Verstauchung, vielleicht ein Sturz auf die Hand und der Schmerz ist mit einem Schlag da, heftig, dominant und verdrängt alles Andere. Vielleicht lässt der Schmerz mit der Zeit ein bisschen nach, bleibt aber immer präsent und nimmt Einfluss auf alles was und wie man gerade tun und greifen möchte und wird zermürbend.

Entschliesst man sich endlich den Arzt aufzusuchen, heisst es „nur“ Arthrose. Im Röntgen kann das Gelenk aber schon stark abgenutzt und die Arthrose schon seit vielen Jahren da sein, obwohl die Schmerzen erst mit dem Sturz angefangen haben.

Unfall oder Krankheit, so lautet hier die Frage. Spätestens wenn es darum geht, an wen man die Rechnung weiterleiten soll.

Die Frage wer zuerst da war, das Huhn, oder das Ei, hat die Menschheit seit Jahrhunderten bewegt, viele Begriffe mussten zuerst exakt definiert werden, bevor die Frage beantwortet werden konnte. Was ist ein Huhn ganz genau? Wann ist ein vom Huhn gelegtes Ei ein Hühnerei? Und was soll die Frage überhaupt?

Heute steht fest, das Ei war zuerst da und bei der traumatisierten Arthrose handelt es sich um eine Krankheit gemäss UVG/KVG, egal wie schlimm das Unfallereignis war und ob man vorher gar keine Beschwerden hatte.

Geht es um Therapie, so gilt es die Zeit zurück zu drehen, was manchmal genauso schwierig ist wie es klingt. Die Arthrose war vorher schon da, verursachte aber keine Schmerzen. Wenn das möglich ist, so muss diese Symptomfreiheit das Therapieziel sein, denn wirklich heilen kann man Arthrose nicht, das Röntgenbild wird unabhängig vom subjektiven Empfinden immer gleich bleiben. Aber auch die Möglichkeiten die Symptome allein zu behandeln sind begrenzt, deshalb bleibt es häufig bei Beschwerden, wenn die Mutzen einmal geweckt sind.

Unter Arthrose versteht man vereinfacht eine kontinuierlich fortschreitende Gelenksabnützung. Zunächst wird die Knorpelschicht dünner, später reibt Knochen am Knochen mit weitreichenden Folgen, manchmal für die ganze Extremität. Es gibt selten eine alleinige Ursache, meistens sind viele Faktoren im Spiel, die nicht alle restlos bekannt sind. Erzwingt eine Gelenksarthrose am Ende eine chirurgische Behandlung, so stehen im Wesentlichen nur zwei Wege zur Wahl, der Gelenksersatz oder die Gelenksversteifung, beide in vielen Varianten.

Wird ein Patient mit einem akut traumatisierten, arthrotisch bereits vorverändertem Gelenk vorstellig, dann sind eine gründliche Aufklärung und ein auf lange Zeit ausgelegtes Therapiekonzept zentral. Die Zukunft steht jedoch bereits fest, nur wann sie eintritt ist noch offen.

Huracek, November 2021