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Das Ganglion

Der Volksmund nennt es „das Überbein“, was einen überzähligen Knochen bedeuten würde, aber der Volksmund hat nicht immer Recht. Es ist eine Zyste, d. h. ein flüssigkeitsgefüllter, neu entstandener Raum. Damit ist es eigentlich harmlos und man könnte es lassen wie es ist. Wenn es nicht stören würde.

Die etwas zähe Flüssigkeit stammt aus einem Gelenk, oder seiner Sehne, einem Ort also, wo Bewegung stattfindet und die Gleitpartner geschmiert werden müssen. Die eingekapselte Flüssigkeit geht den Weg des geringsten Widerstandes bis in die Unterhaut, wo sie den beklagten „Buckel“ bildet. Nur manchmal arrodiert sie mangels Ausweg den Knochen und es entsteht eine im Röntgen gut sichtbare Knochenzyste. Das Handgelenk ist das am häufigsten betroffene Gelenk, bei den Sehnen sind es die Langfinger auf Höhe der Beugefalten. Frauen sind weitaus häufiger als Männer betroffen und sind dabei im Durchschnitt etwas jünger.

Was tun. Seien Sie kreativ. Aufstechen, draufhauen, aspirieren, Kortison injizieren, einen Föifliber drauf drücken bis es platzt, einen Faden durchziehen, alle denkbaren Salben und natürlich Alkohol einreiben, das war alles schon da. Das mit dem Draufhauen war früher besonderes beliebt. Man nimmt am besten die Bibel, die liegt gut in der Hand und auch für die Heilungschancen kann sie nur positiv sein. In Amerika hat das Ganglion davon seinen Namen. Das „Gideons disease“, nach der „Gideons Bible“.

Muss das Ganglion weg, so heisst das heute operieren. Die Chirurgische Entfernung, so einfach sie technisch sein mag, hat aber ihre Komplikationen, die tückischer Weise erst später kommen. Vor allem am Handrücken können sich harte Narben bilden, welche dann die Handgelenksbeugung behindern können. Dazu kommen Verhärtungen der Gelenkskapsel und manchmal Verklebungen mit den Bänderrn und den Sehnenscheiden, so dass am Schluss eine durchaus relevante Beugeeinschränkung resultieren kann. Die lässt sich natürlich mit Salben und Therapie behandeln, aber es gibt auch langwierige Verläufe und ausnahmsweise sogar eine bleibende Einbusse der Biegung. Nur ganz kleine, sogenannte occulte Ganglien lassen sich manchmal minimalinvasiv, d. h. arthroskopisch behanden, wodurch das Risiko einer Beugekontraktur kleiner wird.

Oder doch lieber sein lassen? Da es eine harmlose Krankheit ist, die auch zu keinerlei Spätfolgen, wie Arthrose führt, ist Zuwarten kein Problem. Es gibt keinen Grund, warum ein Arzt auf die Entfernung eines Ganglion drängen sollte. Die Beschwerden sind spärlich und häufig nur am Anfang wenn das Ganglion entsteht oder grösser wird. Später stört es immer weniger, wäre da nicht der kosmetische Aspekt. Wer will schon mit einer hühnerei-grossen Schwellung am Handgelenk in die Bijouterie? Oder an eine Geflügelausstellung?

Die chirurgische Entfernung eines Ganglions wird ambulant und in regionaler Betäubung durchgeführt. Der Eingriff selbst ist ausgesprochen risikoarm und nachfolgenden Narben kann man mit frühzeitiger Bewegung entgegenwirken. Rezidive, also das Zurückkommen eines Ganglions, sind selten, vorausgesetzt das Ganglion wird in die Tiefe bis zu seinem Ursprung verfolgt und vollständig mit seinem „Stiel“ entfernt. Also trotz aller Einfachheit Etwas für einen Handchirurgen. Schmerzen gibt es nach der Operation kaum, nach zwei Wochen werden die Fäden entfernt und nach drei ist dann Zeit für den Bijouterie Besuch.


Dr. J. Huracek, 2020