Obwohl der Ausdruck eigentlich nur die Fehlstellung beschreibt, wird darunter im Allgemeinen der Abriss der Strecksehne vom Fingerendglied verstanden. Ursache ist häufig eine nur leichte Verstauchung, z.B. beim Heben eines Wintermantels, beim Schütteln von Laken, oder beim ungeschickten fangen eines Balls und meistens gibt es bei dem Unfall kaum Schmerzen. Manchmal fällt sogar die Fehlstellung plötzlich auf, ohne dass man sich an ein Trauma erinnern würde. Die Sehne reisst an ihrem Ende vom Endglied-Knochen ab, das Endglied kann nicht mehr ganz gerade gestreckt werden und „hängt“.

Betroffen sind meistens die langen Finger, am Daumen ist die Verletzung eine Rarität (3%, Verdan 1972). Wie ein kleiner Hammer sieht der Finger allerdings erst aus, wenn das Endglied in über 60° Biegung steht, was sich erst mit der Zeit einstellt, denn ist die Strecksehne mal abgerissen, nimmt die Fehlstellung durch den Zug der Beugesehne in Richtung Handfläche langsam zu. Vom Hammerfinger spricht dann aber nur der Patient, der Handchirurg spricht von einer Schwanenhalsdeformität, da er vor seinem geistigen Auge schon die weiteren Folgen entstehen sieht, nämlich die kompensatorische Überstreckung im Nachbargelenk weiter vorne. Da die abgerissene Strecksehne das Endglied nicht mehr aufrichten kann, zieht sie um so stärker am Mittelglied, wo sich mit der Zeit eine Überstreckung einstellt, und der Finger dann aussieht, wie es der Name es illustrativ beschreibt.

Bei der ärztlichen Erstuntersuchung ist neben der Funktionsprüfung ein Röntgenbild obligat, da die Stecksehne manchmal ein kleines Knochenstück vom Endglied ausreisst, das man im Röntgenbild sehen würde (Busch Fraktur). Eine Bildgebung um die Sehne selbst darzustellen wie Ultraschall oder gar MRI ist nicht nötig, die einfache Untersuchung ist ausreichend.

Für die Therapie ist die Kenntnis der Anatomie wichtig, die allerdings, noch viel komplizierter ist als vermutet: 2 Sehnen auf der Beugeseite, die sich in der Mitte durchflechten. Auf der Streckseite ein Sehnenkomplex aus 3 Sehnenzügeln mit zusätzlichen diagonalen Verstrebungen. In diesen Komplex hinein strahlen dann von der Seite je ein Diagonalband und ein etwas ausgefallener Muskel ein, der seinen Ursprung auf der sich gegenläufig bewegenden Beugesehne in der Hohlhand hat.
Trotzdem ist die Therapie einfach, solange man das Skalpell liegen und die Natur arbeiten lässt. Einfach und langweilig. Denn die Sehne benötigt 8 Wochen um am Knochen wieder anzuheilen und so lange muss sie an ihrer Abrissstelle bleiben, d.h. das Endgelenk darf nicht gekrümmt werden. Der Finger wird also für 8 Wochen auf einer Schiene ruhig gestellt, was sehr konsequent durchgeführt werden muss. Denn biegt man den Finger nur einmal bevor die Sehne angeheilt ist, fängt alles wieder von Neuem an.

Beachtet man die Anatomie, so müsste eigentlich die Schiene nicht nur das Endgelenk gerade, sondern auch das Mittelgelenk in leichter Biegung halten, denn nur so wird die Strecksehne vollständig entlastet (Mommsen-Gips). 1969 hat aber H.G. Stack eine Arbeit publiziert, wonach die alleinige Ruhigstellung des Endglieds völlig genügend ist. Seither ist die 8-wöchige Ruhigstellung auf einer „Stack‘schen“ Schiene Standard. Übrigens geht auch der Name „Mallet Finger“ auf diese Arbeit zurück.

Ob alles wieder gut wird hängt von mehreren Faktoren ab, hauptsächlich jedoch von der Bereitschaft des Patienten die Schiene konsequent während 8 Wochen Tag und Nacht zu tragen, was verständlicher Weise nicht einfach ist, denn die Haut will gepflegt werden und auch die Schiene möchte man zwischendurch wechseln und reinigen. Deshalb empfiehlt sich die Zuhilfenahme der Handtherapie*. Der Patient erhält hier verschiedene, nach Mass angefertigte Schienen und wird in deren Handhabung und Wechsel instruiert. Es gibt einige Tricks, die einem das Leben mit den Schienen einfacher machen und man muss nicht alles selber neu erfinden.

Es empfiehlt sich übrigens nach 8 Wochen die Schienen nicht einfach weg zu schmeissen, so sehr man es möchte. Während weiteren 2-3 Wochen sollte man die Schienen noch für Exposition, wie z. B. Gartenarbeit oder Montage von grösseren Teilen anlegen, aber auch nachts, um im Schlaf die Fauststellung zu vermeiden.

 

Was es sonst noch gibt.

Bevor Sie den Röntgenraum betreten, sollten Sie sich wünschen, dass ein kleines Knochenstück ausgerissen ist. Der Finger muss dann zwar häufig operiert werden, die Prognose ist aber besser und der Knochen heilt schneller als die Sehne.

Hat sich bereits eine Schwanenhals-Deformität etabliert, wird es etwas schwieriger. Häufig wird dann längere Zeit spezielle Nachbehandlung durch die Handtherapie erforderlich sein.

War vor dem Unfall schon Arthrose da, oder liegt die Verletzung lange zurück, so bleibt häufig nur die definitive Gelenksversteifung, was aber für die Funktion der Hand als Ganzes meistens kaum eine Einbusse bedeutet. War die Arthrose fortgeschritten, resultiert manchmal sogar eine Verbesserung.  

* Eigenes Fachgebiet, das als Zusatzausbildung zu Physiotherapie oder Ergotherapie erworben wird.

Huracek, Nov. 2020 (Bilder Tubiana, Lanz)