Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Für Mani Matter waren es die Hemmungen und nicht etwa die Mühe des Menschen flott auf die Bäume hoch zu kommen oder der ihm fehlende Schwanz1.
Für den Handchirurgen ist es der Daumen und dessen Besonderheit sich gegenüber den anderen vier Fingern zu positionieren, ihnen zu opponieren und so den Pinzettengriff zu ermöglichen. Erst diese Daumen-Opposition verleiht der Hand die Fähigkeit Feines zu greifen und Grosses zu erschaffen.

Der Daumen ist der wichtigste Finger und sein wichtigstes Gelenk, weil es diese Opposition ermöglicht, ist das Basis- oder Sattelgelenk. Leider ist die Abnutzung dieses Gelenkes, die Rhizarthrose2 die erst- oder zweithäufigste Arthrose des Menschen, je nachdem, ob die Statistik Menschen oder Finger zählt. Im letzteren Fall ist es die Finger-Endgelenks Arthrose.

Warum das so ist, ist unklar. Der naheliegendsten Vermutung von übermässiger Belastung durch harte Arbeit widersprechen Statistiken, indem Frauen fast 10 mal häufiger als Männer, die dominante Hand aber gleich häufig wie die andere betroffen sind. Und es gibt eine familiäre Häufung, aber keine konkrete Vererbung. Vielleicht ist die besondere Anatomie des Sattelgelenkes ein Grund, sie ist im Körper einzigartig. Das Gelenk ist tatsächlich wie ein Sattel geformt, seine Funktion entspricht aber einem Kugelgelenk.

Symptome der Rhizarthrose sind kurz erklärt: Schmerzen. Anfangs nur bei Belastung, später zermürbender Dauerschmerz. Da er sich über Jahre langsam einschleicht, wird er zunächst kaum wahrgenommen. Häufig berichten Patienten über ein Trauma, manchmal nur eine bagatelle Verstauchung, die sie für Ursache der sich erst danach manifestierten Schmerzen halten. Dabei war die Rhizarthrose schon lange vorher da, mit dem Trauma wurden nur die schlafenden „Mutzen“ geweckt.

So wie die Statistiken nur etwas ausschliessen, aber nichts neues lehren, helfen auch die Röntgenbilder wenig weiter. Sie zeigen zwar unterschiedliche Schweregrade, lassen aber keine Aussagen über Ursache oder Prognose zu. Schmerzen und Röntgenbild verlaufen nicht parallel, es gibt Menschen, die schon bei leichter Arthrose starke Schmerzen beklagen und andere die trotz fortgeschrittener Arthrose gar nichts davon wissen.

Gerade dieses Phänomen ist aber der Schlüssel zur konservativen Therapie der Rhizarthrose. Es werden die Symptome und nicht die Arthrose gemäss Röntgenbild behandelt. Konservative Massnahmen zielen einerseits auf das Gelenksinnere mit Entlastung der Gelenksflächen und Reduktion der schmerzhaften Begleitentzündung und Schwellung im Gelenk. Andererseits auf Verbesserung der Gelenksstabilität durch die aussen um das Gelenk verlaufenden Bänder und Muskeln. Konkret bedeutet das Ergotherapie und das konsequente Tragen von nach Mass angefertigten Schienen, bedarfsweise ergänzt durch Infiltrationen des Gelenkes mit Kortison.

Das fehlende Wissen um Ursache und Prognose hinderte die Chirurgen natürlich nicht daran, etliche Verfahren zu entwickeln, die Rhizarthrose operativ anzugehen, was erstaunlich gut gelang. Die Operation der Rhizarthrose stellt eine der grossen Erfolgsgeschichten der Handchirurgie dar. Trotzdem wird eine Operation immer erst nach Ausschöpfen der konservativen Behandlungsmöglichkeiten erwogen, denn Komplikationen und Fehlschläge, so selten sie auch sind, dürfen nie ausser Acht gelassen werden. In der heute am häufigsten verwendeten Art wurde die Operation erstmals 1949 durch W. H. Gervis3 durchgeführt und in der Folge entstanden viele Varianten und Verfeinerungen. Das Prinzip der Operation besteht in der Entfernung des erkrankten Gelenkes4 und dem Ersatz mit einer Sehne. Dabei stehen verschiedene Sehnen zur Auswahl, die ohne Nachteile für den Patienten entnommen werden können. Mit der Sehne wird der Daumen einerseits an seinem Nachbarn, dem Zeigefinger aufgehängt, andererseits durch einen aus der Sehne geformten Knoten anstelle des entfernten Vieleckbeins abgestützt.

Und tatsächlich sind es vor allem die Langzeitresultate dieser Operation die derart überzeugend sind, dass keines der Kunstgelenke, die als Alternative verfügbar sind an sie herankommt. 10 Jahre funktioniert eine Sattelgelenksprothese heute im Durchschnitt bis sie gelockert ist und auf eine grössere gewechselt werden muss5. Enttäuschend im Vergleich zum Hüft- und Kniegelenk, wo trotz Belastung mit vollem Körpergewicht 30 Jahre und mehr die Regel sind.

Neben der Sehnen-Ersatzoperation gibt es alternative Eingriffe, die aber dem Anfangsstadium oder einer besonderen Situation vorbehalten sind. So gibt es die Möglichkeit die Bänder zu verstärken, wenn im Anfangsstadium durch lockere Bänder ein instabiles Gelenk vorliegt, oder eine Achsenkorrektur, wenn eine zu steile Gelenksfläche zu einer Fehlbelastung des Gelenkes führt. Nerven, die ausschliesslich ins Gelenks-Innere führen, können gezielt durchtrennt werden, was die Schmerzempfindung etwas reduziert. Die gelegentlich durchgeführte Versteifung des Sattelgelenkes tauscht schmerzhafte Beweglichkeit gegen schmerzfreie Kraft und kann in besonderen Fällen ihre Berechtigung haben. Einige dieser Eingriffe sind im Anfangsstadium sogar arthoroskopisch, d.h. minimalinvasiv durch eine Gelenksspiegelung machbar.

Zeit und Geduld prägen die Nachbehandlung einer Rhizarthrose-Operation. Die neu eingeflochtenen Sehnen müssen einheilen, bis ihnen wieder Kraft und Belastung zugemutet werden können. Das dauert etwa 6-8 Wochen, so lange sollte man einen Gips oder zumindest eine harte thermoplastische Schiene tragen. Und schonen. Erst danach kann man beginnen die durch die Umstellung und die Inaktivität verlorene Muskelkraft langsam wieder aufzutrainieren. Das definitive Resultat ist in 3-4 Monaten erreicht und zeichnet sich durch sehr gute Schmerzfreiheit, eine verbesserte Beweglichkeit und auch eine Steigerung der Kraft aus, zumal die Schmerzen jetzt weg sind. Die grobe Kraft einer gesunden Hand wird aber nicht ganz erreicht, Hemmungen für das Bäumeklettern bleiben angebracht.
  Dr. Jiri Huracek, Dez. 2019

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. Mani Matter: Hemmige Strophe 4
      was unterscheidet d'mönsche vom schimpans
      s'isch nid die glatti hut, dr fählend schwanz
      nid dass mir schlächter d'böim ufchöme, nei
      dass mir hemmige hei
  2. Rhiza = Griechisch Wurzel
  3. WH Gervis, Excision of the Trapezium. JBJS, 1949 Nov. 31B, 537-9.
  4. Gemeint ist das Os trapezium = das grosse Vieleckbein
  5. Green 5th Ed. Vol.1, Chap.12, S 475