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Es ist das eine eigentlich harmlose Verhärtung und Schrumpfung des Bindegewebes in der Hohlhand. Umso erstaunlicher sind die vielen damit verknüpften Geschichten, Meinungen, Aussagen und Behauptungen.

Nein, es gibt keinen Zusammenhang mit Alkoholkonsum, Epilepsie, Zuckerkrankheit, Handwerklicher Arbeit und den freien Radikalen. Auch die Dreifaltigkeit und der Rütli-Schwur haben damit nichts zu tun, obwohl der Ring- und der Kleinfinger am häufigsten von der fehlenden Streckung betroffen sind.

Ja, die Wikinger haben es verbreitet und haben damit bewiesen, dass die Krankheit erblich ist. Und dass sie nicht nur Kriege geführt haben. Dementsprechend ist die Krankheit südlich der Alpen und bei anderen Hautfarben eine Rarität. Obwohl die Krankheit vererbt wird, manifestiert sie sich meistens erst in der zweiten Lebenshälfte, i.R. sind beide Hände in unterschiedlichem Ausmass befallen. Männer sind viel häufiger betroffen als Frauen und die Krankheit verläuft bei ihnen etwas aggressiver. Betroffen ist ausschliesslich die Greiffläche. Die Haut hat hier eine besondere Bauart, sie ist in Rillen, statt in Feldern geformt, enthält Schweissdrüsen, aber keine Haare. Allerdings kann sich das Dupuytrensche Gewebe weiter entwickeln, wenn diese Haut an einen anderen Ort, wie z.B. den Oberschenkel transplantiert wird. Und obwohl der Morbus Dupuytren keine Unfallfolge ist, kann er durch eine lokale Verletzung aktiviert werden.

Es entsteht nichts Neues. Alle Bindegewebs- Stränge, Streifen und Bänder der Hohlhand waren schon vorher da und haben ihre anatomischen Namen. Durch die Krankheit werden sie derb, bilden Knoten, die zu Strängen zusammenfliessen und anschliessend schrumpfen. Die Finger können immer weniger gestreckt werden und sogar die Hohlhand erreichen, was zu einem erheblichen Hygieneproblem werden kann. Schmerzen verursacht die Krankheit nie. Werden Schmerzen beanstandet, so muss nach einer anderen Ursache gesucht werden.

Entdeckt wurde die Krankheit eigentlich 1614 durch Felix Platter, der aber fälschlicher Weise annahm, es handle sich dabei um eine Verkürzung der Beugesehnen, bedingt durch die harte Arbeit bei einem Steinmetz.

Erst 1831 erhielt die Krankheit ihren Namen. Den Herrn Baron, damals Ordinarius an der Pariser Sorbonne, würde man heute einen Populisten nennen. Oder schlimmer. Er zwang z. B. die Universität per Nachlass den Studenten in den Vorlesungen ein Jahr lang seine Memoiren vorzulesen. Er hat als Erster eine betroffene Hand in einer Art Spektakel operiert. Der Patient ist während der Operation gesessen, der Chirurg stand hinter ihm, für den Fall, dass der Patient seine Hand zurückziehen würde. Eine Betäubung im heutigen Sinne gab es damals nicht. Das Resultat war ein Desaster, der Patient erlitt eine Infektion. In der Krankengeschichte steht, er sei am Ende „très faible“ gewesen. Heute ergibt die Google Suche nach dem Namen Dupuytren knapp 100’000 Einträge.

 

 

WIE

Es gibt keine konservativen Behandlungsmöglichkeiten. Keine Salben, keine Therapie, Dehnungsübungen können sogar kontraproduktiv sein, indem Mikrozerreissungen im Gewebe entstehen, die den M. Dupuytren aktivierten. Es gibt zwar die Möglichkeit Substanzen zu injizieren, die das Bindegewebe auflösen. In den 1990 Jahren wurden Magensaft-Fermente injiziert, seit einigen Jahren bioaktive Bakterienprodukte. Die Komplikationsrate ist allerdings hoch und die Mittel sind z.T. bereits ausser Handel.

Ist eine störende Greifbehinderung vorhanden, so ist die einzige Lösung die Chirurgie. Verfahren gibt es einige. Die Perforation der Stränge, geschlossen oder offen. Die vollständige Strangdurchtrennung oder die teilweise oder vollständige Entfernung des veränderten Gewebes. Die offenen Eingriffe sind delikat. Es gibt für die Operationen spezielle Halterungen für die Hand, Diamantmesser mit besonderem Dupuytren-Schliff und eine Vielzahl von Verfahren, um die nach der Fingerstreckung entstandenen Hautdefekte wieder zu decken. Ohne eine optische Vergrösserung ist die Operation nicht machbar. Müssen mehrere Finger operiert werden, empfiehlt sich ein stationärer Spitalaufenthalt, regionale Anästhesie ist aber immer möglich. Eine mehrwöchige Nachbehandlung mit Schienen und Ergotherapie ist ein fester Bestandteil des Verfahrens.

 

 

WARUM

Sagen Sie es. Es gibt keinen Grund, warum ein Arzt auf eine Operation drängen sollte. Sie haben harte Knoten in der Hand, Sie können die Finger nicht ganz strecken. Wenn Sie im Alltag nicht eingeschränkt und bei der Arbeit nicht behindert sind, dann warten Sie. Da die Krankheit nach Jahren wiederkommt, sie ist ja vererbt, vermeiden Sie so häufiges Operieren. Aber warten Sie nicht zu lange, denn wenn die Kontraktur weit fortgeschritten ist, wird es schwierig wieder eine volle Fingerstreckung zu erreichen. Also gibt es doch einen Grund mal einen Handchirurgen aufzusuchen und ein Gespräch über die Wikinger, den Herrn Baron und lasergeschliffene Diamantmesser zu führen.          Dr. J. Huracek, Dez. 2019